Direkt zum Inhalt springen
Mehr Informationen

Das Parkinson-Testament auf der Speisekarte

Erbrecht

Erbrecht

Das Kammergericht (KG) Berlin musste sich kürzlich mit einem interessanten Fall aus dem Erbrecht beschäftigen (Beschluss vom 09.05.2023, Az. 6 W 48/22).

Ein kinderloser Mann, der seit 2015 an einer Parkinson-Erkrankung litt, hatte 2020 ein eigenhändiges Testament erstellt, in dem er einen Nachbarn zu seinem Alleinerben einsetzte. Er schrieb seinen letzten Willen dabei nicht auf ein leeres Blatt Papier, sondern auf die Rückseite eines Speiseplans eines Cafés.

Nachdem der Mann im Jahr 2021 gestorben war, beantragte der Nachbar auf Grundlage des eigenhändigen Testaments einen Erbschein. Die Nichte des Erblassers, die in einem früheren gemeinschaftlichen Testament von 1998 als Schlusserbin vorgesehen war, legte hiergegen Widerspruch ein und bezweifelte die Echtheit und Testierfähigkeit des letzten Testaments.

Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass das letzte Testament formwirksam war, obwohl es auf der Rückseite einer Speisekarte verfasst worden war. Das Gericht argumentierte, dass die Wahl des Schriftträgers nicht entscheidend sei, solange die Urkunde alle notwendigen Informationen enthält und den Willen des Erblassers ausreichend wiedergibt.

Nach Auffassung des Gerichts konnte der Mann auch trotz seiner Parkinsonkrankheit noch ein wirksames Testament aufsetzen. Eine Parkinson-Erkrankung kann sich zwar auf die feinmotorischen Fähigkeiten des Erkrankten zum Beispiel durch Zittern und Verlangsamung der Bewegungsabläufe auswirken und somit auch das Schriftbild beeinträchtigen. Auch eine an Parkinson erkrankte Person kann aber eigenhändig testieren, wenn sie noch schreiben kann. Anhand von Schriftproben konnte das Gericht eine hinreichende Ähnlichkeit der Schrift erkennen, so dass es zum Nachweis noch nicht einmal eines Gutachtens eines Schriftsachverständigen bedurfte.

Schließlich führt eine Parkinson-Erkrankung auch nicht zwangsläufig zur Testierunfähigkeit. Diese verlangt gemäß § 2229 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), dass dem Erkrankten die Einsichts- und Handlungsfähigkeit aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung verloren gegangen sind. Parkinson weist aber als chronisch progressive neurodegenerative Erkrankung kein einheitliches Krankheitsbild auf. Die Erkrankung führt also nicht automatisch zu einer Einschränkung der freien Willensbestimmung. Es bleibt deshalb bei der Annahme von Testierfähigkeit, wenn sich keine Beeinträchtigung des Verhaltens aufgrund einer konkreten Symptomatik feststellen lässt.

Hierzu ermittelte das Gericht bei den behandelnden Ärzten, dem Pflegepersonal und befragte darüber hinaus einen Sachverständigen, der keine ausgeprägten Defizite zum Zeitpunkt der Errichtung des letzten Testaments bestätigen konnte und eine Testierfähigkeit des Erblassers bejahte. Im Ergebnis erhielt der Nachbar deshalb den von ihm beantragten Erbschein.

Jeder Fall muss also individuell bewertet werden, wobei sowohl die medizinische als auch die rechtliche Perspektive berücksichtigt werden müssen.

eingetragen am: 31.03.2024