Drum prüfe, bevor du dich entscheidest

Erbrecht
Durch eine Ausschlagung kann eine als Erbe berufene Person die Annahme einer Erbschaft vermeiden, die z.B. nur aus einem überschuldeten Nachlass oder einer baufälligen Immobilie besteht. Die Erbausschlagung muss innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Kenntnis des Erben von dem Anfall der Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden.
Manchmal ist es schwierig, innerhalb einer solch kurzen Zeitspanne zu klären, ob der Nachlass werthaltig ist oder nicht. Dann könnte man auf die Idee kommen, zunächst vorsorglich das Erbe auszuschlagen und - falls sich herausstellen sollte, dass doch ausreichend Vermögen vorhanden ist - die Ausschlagung später rückgängig zu machen, um auf diesem Weg wieder Erbe zu werden. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht nämlich die Möglichkeit, eine Erbausschlagung wegen Irrtums anzufechten. Hierzu gehört auch der Irrtum über die Werthaltigkeit eines Nachlasses.
Dass diese Strategie aber nicht immer zielführend ist, zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19.12.2018 (3 Wx 140/18):
Die verwitwete Erblasserin lebte allein in ihrer Wohnung. Nach ihrem Tod befand sich die Wohnung in einem Zustand extremer Verunreinigung. Eine Schwester der Erblasserin, die als gesetzliche Erbin in Betracht kam, ging davon aus, dass die Entrümpelung und die Renovierung der Wohnung sowie noch zu zahlende Mieten den Nachlass erheblich übersteigen würden. Sie erklärte die Ausschlagung der Erbschaft und gab dabei an, keine genauen Kenntnisse über den Nachlass zu haben.
Eine vom Nachlassgericht eingesetzte Nachlasspflegerin ermittelte dann jedoch ein Geldvermögen von knapp 11.000 €. Nach Abzug der Bestattungskosten von rund 1.250 € und sonstiger Passiva wies der Nachlass abschließend ein Guthaben von ca. 6.600 € auf, wovon nur noch Gerichtskosten und Nachlasspflegervergütung i.H.v. 750 € abgingen.
Die Schwester hat daraufhin beim Nachlassgericht ihre Ausschlagung angefochten und erklärt, die Erbschaft doch annehmen zu wollen. Zur Begründung führte sie aus, dass sie einem Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses unterlegen hätte.
Das Oberlandesgericht entschied, dass die Schwester hierzu nicht berechtigt sei. Es verwies darauf, dass die Überschuldung der Erbschaft zwar eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt, die zur Anfechtung berechtigen kann. Dies gilt aber nur, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, also bezüglich des Bestandes an Aktiva oder Passiva, beruht. Nicht zur Anfechtung berechtigt ist jedoch, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterlag.
Mit anderen Worten: derjenige kann sich nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen, der nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt ist, die Erbschaft wolle er annehmen oder ausschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer – bewusst ungesicherter – Grundlage getroffen hat.
Es ist deshalb wichtig, möglichst zeitnah nach dem Erbfall Recherchen über das Nachlassvermögen anzustellen, um innerhalb der 6-Wochen-Frist auf einer verlässlichen Tatsachengrundlage über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entscheiden zu können. Nur dann kann sich die Möglichkeit eröffnen, eine Ausschlagung später wegen Irrtums wirksam anzufechten, wenn sich doch die Werthaltigkeit des Erbes herausstellen sollte.
eingetragen am: 29.05.2022