Kartoffelwurf auf Nachbarskinder – Körperverletzung?

Kampf um das Sorgerecht
Nicht selten fühlen sich Nachbarn durch spielende Kinder gestört. Insbesondere wenn Kinder draußen ausgelassen spielen, fühlen sich manche Nachbarn hierdurch gestört. So auch in einem Fall, den das Amtsgericht Frankfurt am Main, Familiengericht, zu entscheiden hatte.
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im September 2020 spielten zwei 8-jährige Jungs im Hof einer Wohnanlage in Frankfurt am Main. Eine Nachbarin, die ebenfalls in der Wohnanlage wohnhaft ist, störte sich an den spielenden Kindern. Sie bewarf die spielenden Kinder mit Kartoffeln. Eine der Kartoffeln habe einen der Jungs am Rücken getroffen.
Einige Tage später soll es zu einem weiteren Vorfall gekommen sein. Es habe Geschrei im Treppenhaus des Wohnhauses gegeben. Die Nachbarin habe beide Jungs fest am Arm gepackt und an ihnen gezogen. Die Kinder hätten geschrien und geweint. Einer der Jungs habe nun große Angst vor der Nachbarin und könne nachts nicht mehr schlafen.
Die gesetzlichen Vertreter des Jungen beantragen daraufhin beim zuständigen Familiengericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens. Mit diesem Antrag sollte ein Annäherungs- und Kontaktaufnahmeverbot gegen die Nachbarin beschlossen werden. Das zuständige Familiengericht lehnte den Antrag jedoch ab. Das Gericht war der Auffassung, dass der Treffer mit der Kartoffel am Rücken nicht die Schwelle einer vorsätzlichen Körperverletzung erreiche. Für den Antragsteller sei nicht vorgetragen worden, dass durch das Bewerfen mit der Kartoffel ein von seinen normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen wurde. Gleiches gelte auch für den Vorfall mit dem Zerren am Arm. Hier sei nicht ersichtlich, dass ein erheblicher Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit des Jungen erfolgt sei. Es sei lediglich vorgetragen worden, dass die Jungen geschrien und geweint hätten. Dass es sich hierbei um Schreien und Weinen aus Schmerz handelt, könne nicht ohne weiteres angenommen werden. Hier bezog sich das Gericht auf die Aussage einer anderen Nachbarin, die angab, dass die Jungen vor Angst geschrien hätten. Auch der Vortrag, dass einer der Jungen nachts vor Angst nicht schlafen könne, rechtfertige eine entsprechende Schutzanordnung nicht. Dies könnte zwar eine körperlich auswirkende Form von psychischer Gewalt darstellen, hier fehle es jedoch am Vorsatz der Nachbarin zum Zeitpunkt ihres Handelns nach Auffassung des Gerichts.
Zwar könnte in dem Verhalten der Nachbarin eine Nötigung gesehen werden. Die Nötigung ist jedoch nicht vom Schutzbereich des Gewaltschutzgesetzes umfasst. Vor diesem Hintergrund wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz durch das Gericht auf Kosten der Antragsteller zurückgewiesen (Amtsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.11.2020 – 456 F 5230/20 EAGS).
Aber Achtung, nicht dass ein falscher Eindruck entsteht. Wenn auch wegen des rechtswidrigen Verhaltens der „gestörten“ Nachbarin nach der Auffassung des Amtsgerichts Frankfurt am Main keine Ansprüche nach dem Gewaltschutzgesetz in Betracht kommen, so bestehen dennoch Unterlassungsansprüche nach § 1004 analog i.V.m. §§ 823 ff. BGB gegen die Nachbarin, weil deren Verhalten rechtswidrig war. Diesbezüglich wäre aber nicht das Familiengericht, sondern das Amtsgericht Frankfurt am Main, Abteilung für Zivilsachen, zuständig.
eingetragen am: 29.05.2022