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Sonderkündigungsrecht versus Kündigungsausschlussvereinbarung

Miet- und Pachtrecht

Ein Großteil der Bevölkerung ist Mieter

Zum besseren Verständnis für nachfolgende Ausführungen ist zunächst folgender mietrechtliche Grundsatz vorauszuschicken: „Kauf bricht nicht Miete!“.

Das bedeutet, dass der Erwerber einer Immobilie in die bestehenden Wohnraummietverträge eintritt, § 566 BGB. Ist beispielsweise in einem Wohnraummietvertrag vereinbart, dass die ordentliche Kündigung für den Vermieter ausgeschlossen ist, dann bindet diese Vereinbarung auch den Erwerber des betreffenden Mietobjekts (zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines derartigen Kündigungsausschlusses vergleiche BGH, Beschluss vom 08.05. 2018, Az.: VIII ZR 200/17).

Beim Immobilienerwerb im Wege der Zwangsversteigerung gilt nach § 57 ZVG entsprechendes. Allerdings sind hier die Sondervorschriften nach § 57a und 57b ZVG zu berücksichtigen.

§ 57a ZVG gewährt dem Ersteher der Immobilie ein Sonderkündigungsrecht.

Der Ersteher ist berechtigt, dass Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen, sofern er dies zum ersten zulässigen Termin vornimmt.

  1. Was sind der erste zulässige Termin und die gesetzliche Frist zur Kündigung?
  1. Die gesetzliche Kündigungsfrist für das Sonderkündigungsrecht aus § 57a ZVG ist in § 573d II BGB geregelt. Danach muss eine Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zugehen, um das Mietverhältnis mit Ablauf des übernächsten Kalendermonats zu beenden (bspw. Zugang Kündigung spätestens bis zum 03.11.2021 bewirkt Beendigung des Wohnraummietverhältnisses zum 31.01.2022).
  1. Weil der Ersteher mit dem Zuschlagsbeschluss Eigentümer wird (§ 90 I ZVG), ist der erste zulässige Termin grundsätzlich der auf den Zuschlagsbeschluss folgende nächste dritte Werktag (bspw. Zuschlagsbeschluss am 12.10.2021, dann ist der erste zulässige Termin der 03.11.2021; d.h. das Sonderkündigungsrecht müsste bis zum 03.11.2021 -Kündigungszugang- ausgeübt werden).
  1. Was ist aber im Falle eines zwischen den Mietparteien vereinbarten Kündigungsausschlusses? Ist der Ersteher der Immobilie an den vereinbarten Ausschluss gebunden, wenn er die Kündigung zum ersten zulässigen Termin vornimmt?

Der Ersteher einer Immobilie ist nicht an einen vertraglich vereinbarten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechtes gebunden. Beim Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren wird die Vorschrift des § 566 BGB durch das Sonderkündigungsrecht des § 57a ZVG eingeschränkt (vgl. Urteil des BGH vom 15.09.2021, Az.: VIII ZR 76/20).

Somit schlägt das Sonderkündigungsrecht den vereinbarten Kündigungsausschluss.

Aber Achtung, dass gilt nur bei einer Kündigung des Erstehers zum ersten zulässigen Termin, nicht jedoch danach. Verpasst also der Ersteher den Ausspruch der Kündigung zum ersten zulässigen Termin, dann ist er an den vereinbarten Kündigungsausschluss gebunden. Das Sonderkündigungsrecht gilt also nur zeitweilig.

Und noch etwas ist vom Ersteher zu beachten. Die gesetzlichen Kündigungsschutzvorschriften gelten auch für die Kündigung seitens des Erstehers einer Immobilie. D. h., es bedarf eines im Kündigungsschreiben identifizierbar zu beschreibenden Kündigungsgrundes nach § 573 BGB (beispielsweise Eigenbedarf). Zudem kann der Kündigung unter Umständen ein Härtefalleinwand des Mieters nach § 574 BGB (bspw. hohes Alter bei schwerer Erkrankung und nur noch kurzer Lebenserwartung) entgegenstehen

eingetragen am: 29.05.2022